Berlin, 07.05.2014
Für die Macher des vivavelo-Kongress der Fahrradwirtschaft steht fest: 2014 wird das Jahr des Fahrrades. Die Großwetterlage ist in jeder Hinsicht bestens fürs Fahrrad. Damit ist nicht alleine das Wetter im Sinne des milden Winters und trocken-warmen Frühlings gemeint. Auch gesellschaftlich hat das Fahrrad ein Dauerhoch. Selbst der
ADAC, bzw. seine Mitgliederzeitschrift, macht in diesem Monat mit einem Radfahrer auf dem Titelblatt auf. Die Tourismuswirtschaft schätzt die geringe Reisegeschwindigkeit und den großen Appetit der Radreisenden; Verkehrsplaner und -politiker greifen die geringen Kosten bei hohen Effekten der Radverkehrsförderung auf und realisieren: Das Fahrrad hat keine natürlichen Feinde mehr. In mancher deutschen Stadt (Greifswald, Münster) werden bereits über 40 Prozent aller Wege mit dem Rad zurückgelegt. Und die Potenziale sind laut einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) aus dem August 2013 längst noch nicht ausgeschöpft: „Eine konsequente Förderung des Radverkehrs wird im Kontext mittel- und langfristig orientierter Maßnahmen zum Klimaschutz, zur Lärmminderung und zur Luftreinhaltung als ein geeigneter
verkehrsplanerischer Ansatz zur modalen Verkehrsverlagerung benannt und entsprechend positiv bewertet.“
Das Fahrrad ist den Deutschen viel wert
In Umfragen geben bis zu 26 Prozent der Teilnehmer an, dass sie den Kauf eines neuen Fahrrades binnen der nächsten zwölf Monate erwägen (Fahrrad-Monitor 2013). Dabei ist den Deutschen ihr Fahrrad so viel wert wie nie zuvor. Durchschnittlich geben sie je nach Erhebung 658 Euro (Fahrrad-Monitor 2013) über alle Kanäle oder 1.176 Euro (Verbund Service und Fahrrad, VSF g. e. V.) im Premiumfachhandel aus. Gekauft wird übrigens vorwiegend im Fachgeschäft und dies mit steigender Tendenz: Der Fachhandel hatte 2013 einen Stückanteil von 70 Prozent, Grüne Wiese & Co. kommen auf 20 Prozent und Versender/Internet machten etwa zehn Prozent aller Radkäufe aus. „Allein in den vergangenen elf Jahren haben Fachhandel und -markt 21 Prozent zugelegt“, weiß vivavelo-Initiator und VSF-Vorsitzender Albert Herresthal mit Berufung auf Zahlen des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV e.V.) von 2003 und 2014. Die Gründe dafür: Das Fahrrad habe an Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Innovation zugelegt. „Längst ist aus dem Drahtesel von einst ein Hightech-Produkt geworden. Die Kunden brauchen vor, beim und nach dem Kauf Beratung und Service, das kann nur der lokale stationäre Einzelhandel bieten“, folgert Herresthal.
Grüne Wiese – als Ziel beliebt, als Startpunkt unattraktiv
Das Einzelhandels-Schreckgespenst Internet/Versandhandel konnte im gleichen Zeitraum seinen Anteil laut Erhebungen des ZIV lediglich von ca. acht auf zehn Prozent ausbauen. Der Verlierer des Fahrradbooms ist demnach nicht etwa das Auto, sondern der Vertrieb über Grüne Wiese, Baumarkt und Sonderflächen im Lebensmitteleinzelhandel. Dort findet das Fahrrad immer weniger statt: „Das Fahrrad braucht viel Platz und ist auch in der Beratung sperrig: Mit Aktionsflächen zu Unterhaltungselektronik und Handys lässt sich einfacher und schneller Umsatz generieren“, ist Gunnar Fehlau, Branchenkenner vom pressedienst-fahrrad, überzeugt. Er ergänzt:„Der Schlüssel ist die Innovationskraft der Fahrradbranche. Ihre Neuerungen haben das Fahrrad funktionell verbessert, so beim Kunden immer beliebter gemacht und durch das zwingend notwendige Hintergrundwissen für Mitnahmegeschäfte anderer Vertriebskanäle unattraktiv werden lassen.“ Nach Wert steht der Fachhandel übrigens noch besser da, Fachleute sprechen für 2013 von ca. 80 Prozent Marktanteil (VSF 2014). Davon profitieren in Deutschland viele Arbeitsplätze, denn gut 42 Prozent der 3,8 Millionen 2013 verkauften Fahrräder stammen laut ZIV-Angaben aus deutscher Produktion. „Statt dass die Fahrradbranche in einem hohen Maße Subventionen und Fördergelder in Anspruch nimmt, findet ein großer Teil der Wertschöpfung in Deutschland statt und sorgt für Arbeitsplätze und Steuereinnahmen“, führt Herresthal aus. Nach Angaben der Bundesregierung (NRVP 2020 auf der Basis von Daten des VSF) steht die Fahrradbranche insgesamt für 278.000 Vollzeitarbeitsplätze. Das Gesamtvolumen der Fahrradwirtschaft (einschließlich Fahrradtourismus) liegt aktuell bei 16 Milliarden Euro (IBH 2011, DTV, Trendscope 2011). Zum Vergleich: Der Haushalt des Landes Sachsen lag 2011 bei 15,51 Milliarden Euro (www.Ivz-online.de).
Motor für die Branche: das E-Bike
Mit über 1,6 Millionen verkauften Einheiten ist das E-Bike/Pedelec mit deutlichem Abstand die verbreitetste und beliebteste E-Mobilität auf deutschen Straßen (ZIV). Allein 2013 kamen über 410.000 neue E-Räder (ZIV) dazu, für dieses Jahr werden nochmals 450.000 Stück erwartet (VSF). Im Premium-Fachhandel gaben Kunden 2013 für ein Pedelec durchschnittlich 2.552 Euro aus (VSF). 2013 machten Pedelecs im E-Bikes führenden Premium-Fachhandel bereits 17,6 Prozent (Vorjahr: 14,8 Prozent) aller verkauften Fahrräder (VSF 2014) aus.
Fahrrad passt zu allen Megatrends
Verschiedene Studien attestieren dem Fahrrad(markt) gute Zukunftsaussichten. Der Grund ist in allen Erhebungen der gleiche: Das Fahrrad fügt sich sehr harmonisch in eine Vielzahl von gesellschaftlichen Trends und persönlichen Lebenskonzepten ein. Es wird damit besonders krisensicher: „In einer wirtschaftlichen Krise schwingen sich die Menschen aus Kostengründen aufs Rad, in einem wirtschaftlichen Hoch aus Statusgründen“, erklärt Herresthal augenzwinkernd. Mit dem Fahrrad sind Schlagworte wie Umweltfreundlichkeit, Gesundheit, Naturgenuss und Flexibilität fest verbunden. „Nachhaltige Mobilität lässt sich mit dem Rad nicht nur demonstrieren, sondern auch praktizieren“, so Herresthal. Auch bei der zunehmenden Urbanisierung der Gesellschaft hat das Fahrrad gute Karten: Gerade in den Städten nimmt der Radverkehr stetig zu und leistet dabei einen wichtigen Beitrag zu einer lebenswerten Stadt: Radler sind leise, benötigen weniger Raum und von ihnen geht – aller „Radl-Rambo“- Sensationspresse zum Trotz – wenig Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer aus.
Politik hinkt Realität hinterher
Schon jetzt ist das Fahrrad das am häufigsten privat genutzte Verkehrsmittel: 76 Prozent der repräsentativ Befragten im Fahrrad-Monitor 2013 geben an, ihr Fahrrad privat zu nutzen, beim Auto sind dies lediglich 54 Prozent. Fast ein Drittel der Deutschen zieht das Rad gemäß der Studie „Fahrradfahren in Deutschland 2014“ dem Auto vor. 30 Prozent der Befragten wollen in Zukunft das Fahrrad häufiger nutzen. 82 Prozent erklärten, Kommunalpolitik solle sich mehr mit dem Radverkehr beschäftigen. Unzufrieden sind die Radfahrer laut Fahrrad-Monitor vor allem mit den Abstellmöglichkeiten im öffentlichen Raum, etwa an Bahnhöfen und Haltestellen. Die Forderung nach mehr Radwegen, nach besserer Beleuchtung und Verbesserung des Belages derselben stehen im Mittelpunkt der Forderungen an die Politik.
vivavelo, der „Zukunftskongress der Fahrradwirtschaft und Plattform für den Dialog von Branche und Politik“ findet am 12. und 13. Mai 2014 in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen in Berlin statt. Die Schirmherrschaft hat die Ministerpräsidentin des Landes NRW, Hannelore Kraft, übernommen. Insgesamt werden 28 Vorträge/Workshops, zwei Podiumsveranstaltungen und ein umfangreiches Rahmenprogramm angeboten, darunter die Verleihung des VSF..Ethikpreises.
Eine Programmübersicht, alle Informationen und die Anmeldung zum Kongress finden sich unter www.vivavelo.org.